Gelbe Ampel - Achtung Störung

2.2.4 Die Falle von Gelb

Organisationen wollen berechtigterweise besser werden und ihre Leistung und Produktivität kontinuierlich weiterentwickeln. Die Falle in Gelb liegt in der hier typischen Betrachtungsweise: „Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.“ In Gelb sind wir praktizierende Fehlerfinder mit der Absicht, die auftauchenden Schwachpunkte möglichst effektiv und schnell zu lösen. Neben der zu bewältigenden Alltagsarbeit steht das konstruktive Angehen von Problemen und Herausforderungen im Mittelpunkt, was den Blick auf Stärken, Ressourcen und Blickwinkel jenseits des „Tellerrands“ fast komplett verdeckt.

Diese durch die menschliche Natur sehr ausgeprägte Ausrichtung auf „hier stimmt etwas noch nicht“ und das daraus resultierende ständige Besserwissen und Besser-werden-wollen führt zwangsläufig und automatisch zu neuen Schwierigkeiten:

  • Unerwünschte Nebenwirkungen dieses Fehlersuchblicks sind, dass Menschen bloßgestellt werden oder sich blamiert fühlen. Da das Ansprechen von Fehlern bei den Verursachern subjektiv immer wieder als ungerechtfertigt erlebt wird, kommen Tendenzen dazu, sich zu verteidigen, andere zu beschuldigen oder Fehler und Schwächen zu vertuschen. In der weiteren Folge neigen die Beteiligten dazu, Ursachen für Probleme bei den anderen zu finden und das Übernehmen der eigenen Verantwortung zu vermeiden.
  • Die Reaktion, doch auch an anderer Stelle nach dem Schuldigen oder zumindest Mitverantwortlichen zu suchen, deckt automatisch neue Schwächen auf, deren Relevanz zu prüfen ist. „Wer hat jetzt recht?“, wird zu einer zentralen Frage, obwohl die Antwort darauf nichts mit einer guten Lösung zu tun hat. Die Gefahr dabei besteht darin, sich mit der Bearbeitung zu verzetteln, anstatt die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wo Wachstum, Entwicklung und insbesondere die nachhaltigen Erfolge liegen. Wenn Sie eine Führungskraft sind, ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viel Energie Sie in Ihre „problematischen Fälle“ stecken und wie wenig Aufmerksamkeit diejenigen bekommen, die tagtäglich einen guten Job leisten?
  • Persönliche Befindlichkeiten, Befangenheit, Misstrauen und Missgunst oder auch nur „genervt sein“ und „sich ausgebremst fühlen“ sind die ständigen Begleiterscheinungen. So stehen Tür und Tor für weiteres Konfliktpotenzial offen.

Es benötigt große Kraftanstrengungen und hohe soziale Kompetenz, mit einer Gruppe von Menschen auf einbeziehende Weise konstruktiv weiter zu kommen. Insbesondere Verantwortungsträger sehen sich in der Pflicht, all diese Themen in den Griff zu bekommen und übertreten häufig ihre eigenen Belastungsgrenzen. Sie sind mit einem hohen Maß an zeitlichem Einsatz unterwegs. Gesprächsrunden, Diskussionen, Meinungs- und Entscheidungsfindungen nehmen scheinbar kein Ende.
 

Die Suche nach Übereinstimmung ist häufig langwierig

Wege zu finden, bei denen wirklich alle einer Sache zustimmen können, braucht hohe Toleranz und Kompromissbereitschaft. Diese wichtigen menschlichen Fähigkeiten haben jedoch auch Schattenseiten: Weil man aus Zeitgründen nicht auf jede „Tagesform“ und Verstimmung eingehen kann, kommt es zwangsläufig vor, dass wichtige Anliegen überhört oder nicht berücksichtigt werden. Frustration und Resignation sind die natürlichen Folgeerscheinungen.
 

Manipulation und Machtausübung schleichen sich ein

Durch all diese Begleiterscheinungen sind die Türen dafür offen, dass solche Systeme von einzelnen Menschen mit Ich-Gelber Prägung dominiert werden. Weil Entscheidungen häufig langwierig und zermürbend sind, ist die Gefahr groß, dass sich am Ende doch derjenige durchsetzt, der aus der vorherigen Stufe das Überzeugen gelernt hat oder taktisch agiert, indem er z. B. mit seinem langen Atem und seiner Durchhaltefähigkeit gewinnt. Wenn die Führung es nicht mehr aushält, werden in den meisten Fällen wieder starre Regeln eingeführt, an die sich alle zu halten haben oder, wenn es ganz schlimm kommt, fällt der Chef komplett in Rot zurück und spricht ein Machtwort.

Neue Ideen, Kreativität und individuelles Engagement sind dann nicht nur stark behindert, sie werden durch mangelnde direkte Umsetzbarkeit ihrer anfänglichen Inspiration, Dynamik und Kraft beraubt, im letzten Fall sogar abrupt gestoppt.

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